Montag, 17. Dezember 2012

Diagnose # Teil 3


" Krankheit (Synonym zu Schwäche, Leiden, Not) ist die Störung der Funktion eines 
   Organs, der Psyche oder des gesamten Organismus."

Seit anfangs Dreissig besuchte ich regelmässig Aerzte wegen Depressionen, Angst-,
Verhaltens-Störungen sowie Psychosomatik. Auch wurden mir über die Jahre
hinweg die verschiedensten Medikamente verabreicht und an mir ausprobiert
(s. Rubrik "Medikamente").

Nach Jobverlust, Scheidung, Umzug und massiver Verschlechterung des Einkommens und der Wohnsituation, fand auch eine zusätzliche Stimmungsveränderung statt.

Dann kam der entscheidende Wechsel zu einer neuen Therapeutin, die nach rund einem Jahr intensiver Psychotherapie (Hilfe bei Störungen des Denkens, Fühlens, Erlebens und Handelns). Dazu zählen psychische Störungen wie Ängste, Depressionen, Essstörungen, Verhaltensstörungen, Süchte und Zwänge den Verdacht äusserte, dass ich ADHS oder ADS haben könnte. Zur Abklärung wurde ich dann ans Unispital geschickt.

Nach umfangreichen Tests wurde bei mir ADS im Erwachsenenalter im kritischen Level festgestellt.

Nach der Diagnose hatte ich 12 Std. lang Erleichterung, da das Kind endlich einen Namen hatte. Danach fiel ich rund 72 Std. in eine tiefe Depression, weil ich realisierte, dass ich in gewissen Dingen eingeschränkt bin resp. diese Dinge umzusetzen, gar nie möglich sein werden.

Auch war ich erzürnt, da die Diagnose bei mir erst mit rund 40 Jahren gestellt wurde, sich also nie jemand vorher in diese Richtung geäussert hat.

Meine Therapeutin war zu diesem wichtigen Zeitpunkt der Diagnose nicht greifbar. Doch konnte ich mich zum Glück aufraffen, mich an helping hand zu wenden, was mir sehr half, über die Runden zu kommen.

Man muss sich vorstellen, da gibt es eine Krankheit resp. Fachliteratur darüber, wie ich beinahe 1:1 bin und war, als wäre jemand all die Jahre in meinem Kopf gesessen und hätte mitgeschrieben, erschütternd.

" Gesundheit ist die Fähigkeit und die Motivation, ein wirtschaftlich und sozial 
   aktives Leben zu führen" (WHO).



12 Symptome für ADS und ADHS bei Erwachsenen

Fehlender Blickkontakt, gestörter Sex, Quasselstrippe mit Logorrhoe und
miserables Zeitmanagement


Die Störung wächst sich nicht aus. Lediglich die Hyperaktivität kann im Laufe der Jahre abnehmen. Folgende Anzeichen oder Symptome weisen darauf hin, dass Sie als Erwachsener von ADS betroffen sein können:
  1. Sie sind ständig in Aktion. Sie halten es einfach nicht aus, auch nur fünf Minuten einmal nichts zu tun, es sei denn, sie träumen sich gerade wieder einmal weg. - Achten Sie auf Erzählungen Ihrer Eltern und anderer Verwandter oder Bekannter. Konnten Sie schon als Kind nicht stillsitzen? Haben Sie den Unterricht gestört, waren Sie ein Klassenclown? Oder ein Hans-guck-in-die-Luft?
  2. Können Sie schlecht zuhören?
  3. Fällt es Ihnen schwer, Blickkontakt zu halten?
  4. Schweifen Ihre Gedanken häufig ab, obwohl sie wirklich versuchen, sich auf Ihre Arbeit oder auf ein Gespräch zu konzentrieren?
  5. Komm es vor, dass Sie mit Ihrem Partner oder Ihrer Partnerin schlafen wollen, doch es klappt nicht, weil Sie beim Vorspiel plötzlich abschweifen? Statt an genussvollen Sex müssen Sie an Erlebnisse oder Probleme denken und sofort darüber reden.
  6. Lesen Sie ständig 15 Bücher „gleichzeitig“ und haben so viele Ideen, dass Sie gar nicht wissen, wo Sie anfangen sollen? Lesen Sie kaum ein Buch zu Ende oder haben kurz nach dem Lesen bereits wieder vergessen, was Sie gelesen haben.
  7. Neigen Sie dazu, anderen Menschen ins Wort zu fallen und sie dadurch zu verärgern? Reden Sie „ohne Punkt und Komma“? Sind Sie als Quasselstrippe verschrien? Zeigen Sie also Anzeichen von Logorrhoe?
  8. Wird Ihnen schnell langweilig, können Sie nicht oder nur mit allergrößter Mühe abwarten?
  9. Ein massiver Bewegungsdrang lässt oft mit den Jahren nach. Aber vielleicht müssen Sie ständig mit dem Knie oder dem großen Zeh wackeln oder einen Kugelschreiber in der Hand hin und her drehen. Oder Sie hauen auf der Computer-Tastatur herum.
  10. Neigen Sie zu Spontankäufen? Sammeln sie gern? Dinge, wie Bücher, Fotos, Zeitungen, ungenutzte Kaffeekannen, defekte Geräte, alte Kabel, Tapetenreste. Sie können sich von nichts trennen, weil man ja alles "noch einmal gebrauchen kann", so dass Schränke und Regale zu klein werden und Ihr Zuhause allmählich immer unübersichtlicher wird? Zeigen Sie also Messie-Verhalten?
  11. Wirft man Ihnen vor, „nichts richtig mitzubekommen“? Haben Sie immer häufiger Angst vor Gedächtnisverlust, Demenz und Alzheimer?
  12. Vor allem aber: Nehmen Sie sich ständig viel mehr vor, als Sie schaffen können? Leiden Sie unter vermeintlich gemeinen Zeitfressern? Erweist Ihre Zeitplanung sich immer wieder als unrealistisch, ohne dass Sie aus diesen Erfahrungen etwas lernen?


Was aber heisst nun „Aufmerksamkeit“ genau? Dazu zuerst ein kurzer Ausflug in die Theorie:
  • Aufmerksamkeit ist eine der elementaren Voraussetzungen für menschliches Handeln schlechthin.
  • Wir Menschen reagieren nur auf einige von vielen Signalen, welche uns erreichen. Reize, welche uns als wichtig erscheinen, besonders stark sind oder mit unseren aktuellen Interessen verbunden sind, haben normalerweise Vorrang. Von der unendlich grossen Anzahl äusserer und innerer Reize, wählen Menschen normalerweise nur die wenigen aus, welche der aktuellen Herausforderungen entsprechen und geeignet sind, das geplante Handeln geordnet umzusetzen.
  • Bewusste Aufmerksamkeit meint also die Fähigkeit, trotz Reizflut nicht zu übermüden und aus einer unendlichen Vielzahl von inneren und äusseren Reizen, denen wir Menschen ständig ausgesetzt sind, diejenigen auszuwählen, welche eine geplante Handlung organisieren, vollziehen und kontrollieren können.
  • Um sich in einer komplexen Umwelt orientieren zu können und um einen bestimmten und aktuell relevanten Reiz selektiv wahrnehmen zu können, muss das menschliche Gehirn in der Lage sein, Reaktionen auf irrelevante und somit überflüssige Reize zu hemmen. Dieser Hemm- oder Filter-Vorgang wird Inhibition genannt.
  • Diese aktive Leistung des Gehirns zur Aufrechterhaltung von Aufmerksamkeit, Orientierung und planmässigem Handeln wird an der Schaltstelle des sogenannten Nucleus caudatus sowie in der Stirnhirnregion geleistet. Die Hemmvorgänge bewirken, dass nicht jeder frisch eintreffende Reiz als neu und interessant eingestuft wird.
  • Die Inhibition (Filterung, Hemmung) ermöglicht in diesem Zusammenhang also auch, dass sich das Gehirn an diese (unwichtigen) Reize gewöhnen kann und nicht jedes Mal gezwungen wird, die Aufmerksamkeit auf ein Neues und immer und immer wieder den gleichen und unwichtigen Reizen zuzuwenden.
  • Die Selektion von wichtigen und unwichtigen Reizen kann also nur dann erfolgen, wenn das Gehirn durch die Inhibition in die Lage versetzt wird, zu „lernen“.
  • Ohne ausreichendes Funktionieren dieser Filter- und Hemmvorgänge im Gehirn wären wir Menschen völlig orientierungs- und handlungsunfähig. Unwichtige Reize würden sofort in den Gedankenfluss aufgenommen, zielgerichtetes Handeln würde enorm erschwert, die Ablenkbarkeit wäre massiv erhöht und das ganze Denken wäre chaotisch und wirr ob der vielen gleichzeitig eintreffenden Sinneseindrücke.
Die Beschreibung der Folgen der mangelhaften Inhibition entsprechen in weiten Teilen den Problemen von aufmerksamkeitsgestörten Kindern.
Kinder (aber auch Erwachsene) mit einer ADHS werden oft überflutet von Reizen, wenden sich sofort allem Neuen und Seltsamen zu (während „Normales“ übersehen wird), „sehen“ und „hören“ zu viel, sind in der Folge durch jedes Geräusch, jeden (interessanten) Gedanken und jedes Gefühl ablenkbar und oft nicht recht bei der Sache.
Viele der sekundär auftretenden emotionalen Probleme - inklusive einer Disposition zu einer depressiven, hypochondrischen und ängstlichen Grundhaltung - basieren auf dieser elementaren Reizoffenheit bzw. auf der biologisch determinierten Unfähigkeit, Reize in ausreichender Stärke selektiv verarbeiten zu können. In der Tat ist es so, dass man in der Wissenschaft heute davon ausgeht, dass eine gestörte Inhibition die wesentliche neurobiologische Ursache der ADHS darstellt. Wie oben dargelegt, handelt es sich bei der Hemmung oder Filterung der auf das Gehirn eintreffenden vielfältigen Reize und Signale um einen aktiven Vorgang des menschlichen Gehirns.
Allan J. Zametkin fand bereits 1990 heraus, dass bei Erwachsenen mit einer ADHS im linksseitigen Frontallappen eine auffällige Reduktion des Zuckerumsatzes vorliegt, was bedeutet, dass die Gehirnregion, welche für die Inhibition zuständig ist, hinsichtlich ihrer Energieversorgung unterversorgt ist. Glukose bzw. Zucker ist für das Funktionieren des Gehirns ebenso wichtig, wie der Wind für ein Segelschiff. Man geht heute davon aus, dass der ADHS eine komplexe Dysregulation von Neurotransmittern (Botenstoffe im Nervensystem) im limbischen System und im Frontallappen zu Grunde liegt und dass in der Folge auch die Reizverarbeitung gestört ist.


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