Freitag, 14. Dezember 2012

Leben vor Diagnose 00 - 40 Jahre # Teil 2

"Ich bin erschüttert, dass bei mir erst anfangs 40 die Diagnose gestellt  
  wurde...................... deutet das etwa auf Vernachlässigung hin ???"



00 - 05
Im Kindergarten hatte ich immer nur mit grossen Holz-Bauklötzen gespielt und um mich herum aufgebaut. Und wehe, jemand anderes war schneller bei meinen geliebten Klötzen. Jähzorn machte sich sofort breit, und ich manipulierte mein Gegenüber so lange, bis ich mein Holz hatte. Andere Kinder interessierten mich kaum oder selten.

Riesen Theater machte ich auch beim Anziehen von Kleidern. Wehe, etwas hat gekratzt oder nicht so gerochen wie ich es gerne gehabt hätte. 

Ich würde behaupten, ich war ein schwieriges, jähzorniges und unbeliebtes Kind in meinen ersten 5 Lebensjahren.


06 - 10
Mit sieben Jahren wurde ich als Sportler entdeckt. Nach einem Jahr musste ich schon 4 x pro Woche ins Training, dann 6 x. Es hiess, ich sei ein Riesen-Talent (Inselbegabung???)
und müsse unbedingt gefördert werden.

Mit dem Beginn dieser Sportart begann meine Verknechtung durch meinen Trainer. Er war ein gnadenloser Peitscher ohne Rücksicht auf menschliche Schwächen. Er instrumentalisierte mich für seinen persönlichen Erfolg. Ich hasste ihn und die Sportart.

In meinem neunten Lebensjahr setzte sich eine Zwangsstörung in mir fest. Immer, wenn ich mein Kinderzimmer verliess und mit dem Bus ins Training ging, musste ich rund 30 Mal nochmals hineinschauen, ob alles i.O. sei. Wenn ich das nicht tat, sagte eine Macht in mir, es würde etwas Unvorhergesehenes und Böses geschehen.

Extrem jähzornig wurde ich jeweils, wenn jemand mich ungerecht behandelte oder jemand etwas in meinen Kinderzimmer verstellte oder zerkratzte. Mir fehlte einfach die Ausdrucksweise, ein Problem verbal anzugehen. Auch attestierte mir immer wieder, dass ich ein Tyrann resp. Diktator sei, der immer seine Dinge durchziehen wollte.

Ich würde wiederum sagen, ich war ein schwieriges Kind von 6 - 10 Jahren.


11 - 15
Im vorpubertären und im pubertären Alter wollte ich immer Schriftsteller, Turnlehrer werden oder die Kunstgewerbeschule besuchen. Lieblingsmusik: Nina Hagen und Iron Maiden.

Es war auch die Zeit (13 Jahre), in der ich das erste Mal merkte, dass ich extrem vergesslich bin im direkten Vergleich zu meinen Mitschülern.

In der Sekundarschule von 13 - 15 wurde ich von Mitschülern gemobbt, ich denke aus Neid oder weil ich halt etwas seltsam war. Einmal packten sie mich und parkierten mich auf einem rostigen Eisenzaun. Eine zerrissene Hose und ein grosses klaffendes Loch im Gesäss waren die Folge. Ein anderes Mal hielten sie mich an den Beinen kopfvoran aus dem 3. Stock des Schulhauses. Heute würde man sagen: Körperverletzung und Psycho-Terror. Ich meine nur:  The Avengers!

Aber vielleicht ist das ja üblich in diesem Alter und hat direkt oder indirekt gar nichts mit ADD zu tun....................................

Schlimm wurde es nach dem Uebertritt in die Kantonsschule. Ich hinkte von Anfang an hinterher, war nicht in der Lage, mitzuhalten, weil ich grad alles wieder vergass oder zu weit dachte. Auch die Doppelbelastung als Semi-Profi-Sportler leistete ihren Beitrag zum Versagen. Zudem merkte ich auch da, dass etwas nicht stimmte: Einfache, serielle gekettete Turnelemente zu wiederholen, bereitete mir grösste Mühe.

Ich konnte einfach nicht hinsitzen und lernen. Auch verstand ich kaum, um was es in den meisten Fächer ging und für was das gut sein sollte. Sinnlosigkeit des Lebens und des Tuns. Auch jähzornig konnte ich immer noch werden, wenn jemand einen Kratzer in meine Sachen machte oder die Dinge in meiner Zimmer nur ein wenig verstellte. Nichtangepasste Wortwahl.





16 - 20
Verbaler Aufstand im Sport gegen Trainer. In der Schule konnte ich kaum einen vorgegebenen einfachen Satz verbal wiederholen. Verlassen des Gymnasiums wegen Ueberforderung. Bei der akad. Berufsberatung wurde ich als Genie im kreativen und als Null im mathematischen Bereich bezeichnet. Beginn einer kaufm. Lehre. Mit 18 Ausschluss aus dem Nationalkader wegen Uebergewicht und Beendigung des Spitzensports und der Verknechtung durch den Trainer von heute auf morgen.

Aber: Auch im KV litt ich sehr unter den Anforderungen und verstand den Sinn der ganzen Sinnlosigkeit nicht. Hinsitzen und lernen war weiterhin nicht möglich. Innerer Boykott und Ablenkung gegen Hausaufgaben mit Schlafen und Basteln. Trotzdem bestand ich die Abschlussprüfungen, aber die rasche Ueberforderung in der Leistungsgesellschaft bestand weiterhin und verstärkte sich. Und der nächste Lebens-Schock stand schon bereit: Militärdienst. Ein Horror-Trip für mich und meinen Hygiene-Tick und meine übertriebene Angepasstheit und mein Leiden. Ein Offizier plagte mich, weil ich anscheinend immer Grimassen machte und die Augen seltsam ins Weisse verdrehte. Es treibt mir beim Schreiben dieser Zeilen noch heute den Schweiss ins Gesicht.

Auch begann die Jagd mit dem ersten Geld nach materiellen Dingen als Ersatz für die menschliche Ablehnung. In den ersten 20 Jahren meines Lebens hatte ich nie menschliche Unterstützung durch meine Erzeuger oder deren Umfeld.

Als extrem störend empfand und empfinde ich die vergrösserte Wahrnehmen, zBsp.: Eine Beule am Auto heisst für mich eine Beule an mir. Also, diese Beule muss sofort zum Verschwinden gebracht werden. Es muss wieder Perfektion hergestellt werden. So geht es mit Kratzern an Dingen, mit unästhetischen Gegebenheiten etc. Intoleranz ggü. invaliden Subjektiven und Objektiven.


21 - 25
Beginn eines Nine-to-Five-job auf einer Bank. Unglücklich ab dem ersten Arbeitstag. Vergesslichkeit gross, Neues lernen bereitet grosse Schwierig- und Unsicherheiten. Kontrolle, Kontrolle, Kontrolle. Ich stellte auch fest, dass ich mit einem zerbeulten Auto nicht unterwegs sein konnte. Eine Beule im Auto ist eine Beule im Kopf. Heute weiss, dass das mit der erweiterten Wahrnehmung zu tun hat. Fremdschämen etc. sind ähnliche unschöne Dinge, die einen behindern, ein ungezwungendes Leben zu führen. Auch werde ich immer wieder auf meine die Lautstärke und Monotonie meiner Stimme aufmerksam gemacht.
Oftmals laufen Gespräche zu 90 % gut und immer am Schluss mache ich alles mit einem unpassenden Spruch Futsch. Frust.


26 - 30
Weitere Jobs im kaufm. Bereich resp. Finanzwesen. Abrufen von Wissen und Gedanken extrem schwierig. Verdrehen von Tatsachen an der Tagesordnung. Angst vor Fehlern. Streben nach Kontrolle und Perfektion. Ich erkenne auch, dass ich Strampelbeine habe. Erste Erkenntnisse: Das etwas nicht stimmt, stelle ich beim Schlagzeugüben fest. Warum mache ich keine Fortschritte? Ich müsste viel weiter sein. Warum kann ich einen Rhythmus nur 10 Sekunden halten? Warum vergesse ich sofort, was ich vor 10 Sekunden gespielt habe? Was ist da los mit meiner Motorik? Warum werde ich nicht schneller? Warum fange ich immer wieder bei Null an? Warum fällt mir es immer so schwer, mich zu überwinden, obwohl Schlagzeug das Liebste ist, was ich habe?



31 - 35
Und wieder Anstellungen im verhassten Rechnungswesen. Leiden unter Vergesslichkeit und Unsicherheit und Scham. Streben nach Perfektion. Immer wieder werde ich darauf aufmerksam gemacht, dass ich zuviele Ratschläge erteile, ja mein Gedankengut den Leuten aufzwinge. Aber ich meine es doch nur gut, weil ich die Zukunft und Trends sehe.......... ach ich fühle mich unverstanden. Suchtverhalten nach Alkohol verstärkt sich.



36 - 40
Erschöpfungsdepression, Scheidung und Kündigung der Stelle. Verlust der Wohnung. Finanzieller sowie sozialer Abstieg. Gleichgültigkeit, Isolation.

Wohnortwechsel, unglückliche Temporär-Arbeit im kaufm. Bereich. Nihilismus.




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